Gemeinschafts-Zusammenleben

Auf dieser Seite erfahren Sie einiges

  1. über ein Leben in solidarischen und freien Gemeinschaften,
  2. über den Erwerb von Gemeinschaftskompetenz anhand eines illustrierten Download-Textes,
  3. über Kommunikationskompetenz und Gute Nachbarschaft in umfangreichen Werkbüchern zum Download 

1. Plädoyer für ein Leben in solidarischen und freien Gemeinschaften

Seit 1970 lebte ich hauptsächlich in unterschiedlichen Gemeinschaftsformen: Anfangs mit meiner ersten Frau in verschiedenen Wohn-Gemeinschaften, später in einer Haus-Gemeinschaft.

Seit 2008 habe ich mit meiner zweiten Frau auf der Suche nach alternativen Lebens-Konzepten unterschiedliche Lebens-Projekte,
u. a. Ökodörfer, besucht. Dabei reifte in uns die Entscheidung, an einem Gemeinschafts-Projekt in einer Großstadt mitzumachen, weil die Zukunft der Menschheit sich eher in Städten abspielen wird und darum eher Modelle für enkeltaugliches Leben in der Stadt zu entwickeln sind.

Seit Anfang 2018 leben wir in einer Wohngenossenschaft mit dem Anspruch auf Nachbarschaftshilfe (umweltschonend, autofrei, barrierefrei). www.moeckernkiez.de

 

Gemeinschaften bestehen aus Individuen, Partnerschaften, Familien, Wohn-Gemeinschaften und anderen Gruppen (teams). Persönlichkeitsentwicklung und Potenzialentfaltung in diesen sozialen Zusammenschlüssen erfordert,

  • erstrebenswerte Ziele und Visionen für Zusammenleben und Zusammenarbeit zu entwickeln und zu veranschaulichen.
    Zielsetzungen, die zu abstrakt sind, entfalten auf Dauer keine integrative Wirkung.  Zielsetzungen, die im Kern lieblos bis lebensfeindlich sind, und deshalb ideologisch verschleiert werden müssen, untergraben ein Miteinander und werden nur solange verfolgt, wie Vorteilsnahme, Autoritäts- und Strafangst die eigentlichen menschlichen Bedürfnisse überlagern.
  • strukturelle und kulturelle Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Individuen und Gruppen ihre Potenziale im Hinblick auf zielführende Aufgaben und Projekte ausrichten können.

Gemeinschaften erweisen sich uns als notwendiges - die Not der Vereinzelung der Menschen wendendes -, zumindest wünschenswertes Bindeglied zwischen Individuum und Gesellschaft. Partnerschaft und die sich zunehmend verflüchtigenden Familienstrukturen (Alleinerziehende), sind als alleinige Vergesellschaftungsformen zu eng, zu einsam, zu anregungsarm. Kleinfamilien sind zumeist damit überfordert, die Vielfalt der sozial-kommunikativen und kulturellen Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen. Nicht nur ein Kind, sondern jeder Mensch braucht viele wohlwollende Beziehungsangebote und eine ihn tragende und stützende Gemeinschaft, um seine Potenziale voll zur Entfaltung zu bringen. Auf dass Sie dauerhaft glücklich werden können, plädiere ich dafür, dass Sie sich mit anderen ähnlich Gesinnten in Mehrgenerations-Gemeinschaften zusammenschließen, in denen die Bereiche des Zusammenwohnens, vor allem jedoch Zusammenlebens, möglicherweise sogar der gemeinsamen Arbeit aufeinander bezogen sind. Diese Gemeinschaften sollten groß genug sein, um eine hinreichend große soziale Vielfalt zu gewährleisten. Sie sollten zugleich klein genug oder in entsprechend kleinen Untergruppierungen organisiert sein, um einen tragfähigen inneren Zusammenhang zu erreichen und ein gemeinsames Miteinander pflegen zu können.

 

2. Erwerb von Gemeinschafts-Kompetenz

Wir können nicht voraussetzen, dass wir in unserem Leben all die Fähigkeiten erworben haben, die man braucht, um in einer Mehrgenerations-Gemeinschaft aktiv, gleichberechtigt und konstruktiv mitgestaltend mitwirken zu können.

Die Erfahrungen aus Zusammenleben und Zusammenwirken in Familien, Kitas, Schulen, Ausbildung, Studium und Beruf waren überwiegend geprägt durch ungleichberechtigte, wettbewerbsorientierte hierarchische Beziehungsmuster.

Diese sozial dysfunktionalen Muster machen nicht nur das Zusammenleben in lebendigen, entwicklungsorientierten Partnerschaften schwer, sondern auch die produktive und kreative Mitarbeit in Gruppen (Teams) und in Wohn- und Lebensprojekten.

In Gemeinschaften haben wir es mit Einzelpersonen, mit Paaren und Familien, mit informellen Gruppen und Arbeitsteams zu tun. Insofern beinhaltet wirksame Förderung von Gemeinschafts-Kompetenz auch die Entwicklungsförderung in den oben genannten Sozialkonstellationen. Darüber hinaus entwickeln Gemeinschaften auch ihre eigenen Dynamiken. Diese gilt es mit zu beachten und so gemeinsam zu steuern, auf dass die Gemeinschaft lernend und damit lebendig bleibt. Wie lernen Menschen allein oder zusammen wirksam und zufrieden?  Ausgehend von einer konstruktivistischen Lernauffassung stelle ich Lehrkunsterfahrungen zur Verfügung, um die Lehr- und Lernstrukturen in Gruppen und Gemeinschaften zu optimieren.

Veröffentlichung:
Gemeinschafts-Kompetenz - Welche Kompetenzen brauchen Menschen, um konstruktiv in einer Gemeinschaft mitzuwirken?

in: Der Mensch: Gemeinschaftsleben und Umwelt, Heft 50 - 51, 2015

Immer mehr Gemeinschaften – intentionale oder offene, teils mit besonderen Ansprüchen (Nachbarschafts-Hilfe, intergenerative Unterstützung, Sicherung der Versorgung im Alter, Förderung der Stadtteil-Kultur, Barriere-Freiheit, Reduzierung des Verkehrs etc.) – entstehen in Deutschlands Dörfern und Städten. In eine dieser Stadt-Gemeinschaften mit besonderem Anspruch werde ich hoffentlich in zwei Jahren einziehen können. Neue Wir-Strukturen formen sich zwischen Individuum und Gesellschaft gleichsam als Ersatz für den Verfall der Groß-Familien sowie im Zusammenhang mit Verstädterung und Versingelung des Lebens.

Jedoch wird besonders in den eher nicht- bis teilintentionalen Gemeinschaften kaum vor- und nachgedacht, was Menschen an Kompetenzen erwerben könnten (Wünschenswertes) oder sogar sollten (Notwendiges), um konstruktiv in einer Gemeinschaft mitzuwirken.

 

„Es ist ein Paradox: Häufig steht die Sehnsucht nach Gemeinschaft im umgekehrten Verhältnis zur Fähigkeit, sie entstehen zu lassen.“ (Dieter Halbach, Zuhause unter Menschen, in: Oya, März/April 2014, S.15) Die Gültigkeit dieses Paradoxes erfuhr auch ich im Laufe meines Lebens in unterschiedlichen Gemeinschafts-Formen immer wieder, sowohl was meine eigene Gemeinschafts-(In-) kompetenz als auch die der vielen Personen betraf, mit denen ich in Wohn- und Haus-Gemeinschaften langjährig eng zusammenlebte.

Wie gern hätte ich damals jemanden getroffen, der uns hätte sagen, zeigen oder gar vorleben können, was es an Entwicklungs-Notwendigkeiten erfordert und was es an wirksamen Entwicklungs-Angeboten gibt, gemeinschaftskompetent zu werden. Nun, im Alter von 70 Jahren, habe ich den Eindruck, in etwa der geworden zu sein, den ich damals gern getroffen hätte.

Mein derzeitiges Verständnis von Gemeinschafts-Kompetenz möchte ich gern mit Ihnen teilen.

Ausführlich können Sie das Konzept „Gemeinschafts-Kompetenz“ auf meiner Website www.wie-weiter.de nachlesen und herunterladen. 

 

1. Was ich unter Gemeinschafts-Kompetenz verstehe?

Gemeinschafts-Kompetenz entwickelt sich in einem Prozess aus drei wechselseitig voneinander abhängigen Aspekten:

1.     Jede Person klärt für sich ihr Verständnis von und ihre Bedürfnisse nach Selbst- und Sozial-Verwirklichung.

2.     Gemeinschafts-Beteiligte zusammen passen die Strukturen und Prozesse der Gemeinschaft - möglichst im Konsens - an die erkundeten und bekundeten Selbst- und Sozial-Verwirklichungs-Bedürfnisse an.

3.     Alle setzen sich aktiv, sensibel und kreativ mitgestaltend für die daraus abgeleiteten Entwicklungs-Chancen- und Erfordernisse der Gemeinschaft ein.

 

Kompetenz umfasst Wollen und Können zugleich. 

Entsprechend zeigt sich Gemeinschafts-Kompetenz als Wollen in tätiger Entwicklungs-Bereitschaft im Hinblick auf die oben genannten Entwicklungs-Vorhaben. Entwicklungs-Bereitschaft meint unter anderem Förderung der Selbst-Motivation, Abbau von Entwicklungs-Widerständen, innere Erlaubnis, tiefes Interesse, emotionale Aufgeschlossenheit, Erhalt der Lern-Freude, Durchhalte-Vermögen, Mut zur Beharrlichkeit und Begeisterung. 

Gemeinschafts-Kompetenz als Können zeigt sich auf drei Ebenen:

1.     auf der Ebene der Handlungs-Geschicklichkeit im Hinblick auf qualitativ bestimmte Anforderungen einschließlich des darauf abgestimmtem Wissens,

2.     auf der Ebene der freundlichen Selbst-Kritik als Einsicht in die derzeitigen Grenzen des erforderlichen Wissens und Könnens und 

3.     auf der Ebene der Didaktik als Fähigkeit, Können und Wissen situations- und personenangemessen wirksam weiterzugeben.

 

2. Wie entwickeln wir unsere Gemeinschafts-Kompetenz (weiter)?

Gemeinschafts-Kompetenz entwickelt sich zwar am ehesten in Gemeinschaften.

So wie man Klavier-Spielen nur an einem entsprechenden Tasten-Instrument erlernen kann und nicht allein über Noten und die Bau- und Benutzungs-Anleitungen für Klaviere, kann man Gemeinschafts-Kompetenz letztendlich nur in tätiger Auseinandersetzung mit Menschen und Aufgaben in einer Gemeinschaft erwerben.

 

Aber in Gemeinschaften zu leben und zu arbeiten, bedeutet nicht automatisch, dass man gemeinschaftskompetent ist oder wird. Das unmittelbare Erleben aus dem Zusammenleben in Gemeinschaften ist eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für Entwicklung von Gemeinschafts-Kompetenz. 

Damit Erleben zu nutzbringender gemeinsamer Erfahrung gerinnen kann, bedarf es bestimmter Wege und Kategorien der Erlebens-Reflexion, mit deren Hilfe Prozesse in uns und untereinander verständlich und vermittelbar werden, ohne diese engzuführen oder gar zu unterbinden. 

Deshalb ist es zu Abstimmungs-Zwecken in der Gemeinschaft sinnvoll, 

Ø  Entwicklungs-Bereiche für Gemeinschafts-Kompetenz differenziert zu bestimmen (siehe unter 4.) und auf dieser Grundlage den jeweiligen individuellen Entwicklungs-Stand zu erkunden,

Ø  sich gute Ideen, passende Denk-Ansätze und bewährte Handlungs-Konzepte zur gezielten und wirksamen individuellen wie gesamtgemeinschaftlichen Weiterentwicklung von Gemeinschafts-Kompetenz anzueignen sowie

Ø  Strukturen der Kommunikation und Entscheidungs-Findung in der Gemeinschaft auf das Ziel einer wirksamen und dauerhaften Förderung von Gemeinschafts-Kompetenz hin auszurichten.

 

3. Systemdynamisches Denken ist für lernende Gemeinschaften ein Muss

Gemeinschaften sind lebende soziale Organismen, für die Gesetze der sozialen Einflussnahme gelten, die durch systemdynamisches Denken erkannt und beachtet werden können. 

Dieses Denken ist gekennzeichnet durch die Fähigkeit, organisatorische Konstellationen und sozial-kommunikative Situationen in Lern- und Entwicklungs-Prozessen von Einzelnen, Paaren, Teams und Gemeinschaften prozesshaft, kontextbewusst,mehrperspektivisch und dialektisch-integrativ zu deuten.

Dieses Denken erfordert, seine Aufmerksamkeit auf Beziehungen und Bezüge im Wandel zu richten sowie Zusammenhänge, Wechsel-Wirkungen und Rückkoppelungen (kurz- und langfristig) zwischen Personen und Sach-Verhalten zu erfassen.

Aus diesem Denken lassen sich Kooperations-Prinzipien für lernende Gemeinschaften wie folgt ableiten:

·       Als längerfristige Richtungs-Geber werden Visionen beharrlich verfolgt, während die Umsetzungs-Wege, die kurz- und mittelfristigen Etappen-Ziele recht flexibel angegangen werden. Dies entspricht dem Prinzip der Variabilität auf der Basis von Kontinuität, Solidität und Qualität (Können wir das, was wir tun, in der von uns angestrebten Qualität tun?).

·       Es wird bei gemeinsamen Entwicklungs-Vorhaben vorab ein System-Überblick mit Wechsel-Wirkungen, Netzwerken, Zusammenhängen, Feldern der Beteiligten und Betroffenen samt ihren Interessen-Positionen und Sicht-Weisen erarbeitet.
Verschafft man sich diesen System-Überblick nicht, so kann es zum Zusammenbruch eines Gemeinschafts-Vorhabens kommen, wie wir es fast beim Möckernkiez-Projekt in Berlin (www.moekernkiez.de) erleben mussten, bei dem lange Zeit die Interessen-Position der beteiligten Banken nicht hinreichend einbezogen wurde.

·       Es wird die Prozess-Dynamik durch Simulation kurz-, mittel- und langfristiger Entscheidungs-Auswirkungen von Eingriffen in das System betrachtet. Dabei sollten kurzfristige Maßnahmen die Verwirklichung von langfristigen Visionen und längerfristige Festlegungen die Spontaneität der kurzfristigen Reaktion auf neue oder veränderte Bedürfnisse in der Gemeinschaft nicht verhindern.

·       In der Kooperation zur Befriedigung von Bedürfnissen aller Beteiligten geht es jedoch nicht darum, vorgegebene Ordnungen einzuhalten, sondern Ordnungs-Prinzipien und Planungs-Vorgaben an die sich wandelnden Bedingungen und Bedürfnisse anzupassen.
Ordnungs-Prinzipien sind nur Mittel. Der Zweck ist Bedürfnis-Befriedigung. Einer Vertauschung von Mitteln und Zwecken wird entgegengearbeitet.

 

4. Wer seine Gemeinschafts-Kompetenz weiterentwickeln will, sollte vier Entwicklungs-Bereiche in ihren Wechselwirkungen beachten

Zentral geht es bei Weiterentwicklung von Gemeinschafts-Kompetenz darum, entwicklungsfördernde oder entwicklungshemmende Wechsel-Wirkungen von einzelnen Personen mit der Gemeinschaft als Ganzes in den Blick zu nehmen.

Spezieller geht es darum, die wechselseitigen Abstimmungs-Prozesse zu optimieren 

1.     im Selbst-Bezug der Personen (konstruktiv-liebevoller Selbst-Umgang), 

2.     in Zweier-Beziehungen (Partnerschaftlichkeit, Freundschaft), 

3.     in Gruppen-Beziehungen (Lern- und Kooperations-Kompetenz) und 

4.     in Gesamtgemeinschafts-Beziehungen (Gemeinschafts-Kompetenz)

vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Bezüge – regional bis global.

Beispiele: 

Ø  Geht der Selbst-Bezug Einzelner verloren, so dass Partnerschaft nur noch im Hinblick auf die Reaktionen des anderen betrachtet wird, kann sich weder eine Zweier-Beziehung noch eine Gruppe zu Reife entfalten. Wer sich selbst kennt, kann andere erkennen und anerkennen.

Ø  Sind Menschen nicht hinreichend kontakt- und resonanzfähig, also nicht in der Lage, sich mitgestaltend in eine Zweier-Beziehung (Freundschaft, Partnerschaft) einzubringen oder die Rückmeldung anderer über sich anzunehmen, so ist es wahrscheinlich, dass sie auch wenig zum solidarischer Zusammenhalt in einer Gruppe (als Wohn-Gemeinschaft, Familie oder Lern- und Arbeits-Team) beitragen können.

Ø  Geben umgekehrt Gruppen keinen Raum für Entwicklung von Beziehungen unter ihren Mitgliedern, entsteht keine heilsame Atmosphäre wechselseitiger Unterstützung und damit keine wirksame dauerhafte Kooperation.

Ø  Stellt eine Gemeinschaft keinen Rahmen für Lernen und Arbeiten der zumindest in ihrem Vorgehen autonomen Teams bereit, so kann sich Team-Fähigkeit nicht entfalten. 

Ø  Erarbeitet sich umgekehrt eine Gemeinschaft keinen tragfähigen Werte-Konsens, so kann die Arbeit der Teams nicht hinreichend auf das Gemeinschafts-Wohl ausgerichtet werden.

 

5. Rahmen-Bedingungen und Werte erfordern Entwicklung

Entwicklungs-Erfordernisse einer Gemeinschaft ergeben sich einerseits aus sich stetig oder sprunghaft wandelnden Rahmen-Bedingungen: ökonomisch, ökologisch, sozial, politisch und kulturell.

Andererseits erwachsen Entwicklungen aus dem Streben der Beteiligten nach übersummativer Zusammenführung ihrer Selbst- und Sozial-Verwirklichungs-Bedürfnisse. Übersummativ meint, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, dass man also übertragen auf Gemeinschafts-Prozesse zusammen Besseres und mehr erreicht als jede Person für sich allein. 

Selbst- und Sozial-Verwirklichungs-Bedürfnisse finden ihren Ausdruck in bestimmbaren Wert-Haltungen. Zusammenführung dieser Bedürfnisse erfordert einen Prozess der Abstimmung von Wert-Haltungen, also einen tragfähigen Wert- und Ziel-Konsens (Wie wollen wir zusammen wohin?). 

 

Problem-Situationen und Entwicklungs-Notwendigkeiten werden meist erst bewusst, wenn Wert-Vorstellungen und Ziel-Setzungen geklärt werden. Problem-Situationen und Entwicklungen im Individual-, Partnerschafts-, Gruppen- und Gemeinschafts-Leben zu meistern, bedeutet, eigene und gemeinsame Wert-Vorstellungen (Qualitäts-Kriterien) für Prozesse (angestrebte Prozess-Qualität) und Ergebnisse (angestrebte Ergebnis-Qualität) erfolgreich und befriedigend in Lebens-Praxis umzusetzen.

 

Ob wir Potenziale (Möglichkeiten, Begabungen) in uns als Ressourcen, also als brauchbares Wissen und Können, als Stärken und Talente (an-) erkennen, ist ebenfalls abhängig von unseren Werten und dem uns mit prägenden kulturtradierten Werte-System im Hintergrund.

Ein Konsens über Wert-Haltungen, die lebbar, also in nicht allzu ferner Zukunft zu verwirklichen, relativ überdauernd und von Herzens-Energie und Liebe getragen sind, ist Grundlage für eine kooperative Weiterentwicklung von Gemeinschafts-Kompetenz. 

Werte-Konsens ist meist der Attraktor, der Entwicklungs-Motor für Gemeinschaften. 

 

6. Günstige Voraussetzungen für Übersummativität

Bedürfnisse der Mitglieder einer Gemeinschaft werden dann eher übersummativ zusammengeführt, wenn jede einzelne Person je nach Entwicklungs-Stand gefördert wird 

·       sowohl in ihrer Autonomie-Kompetenz (z. B. als Eigenständigkeit, Selbstverantwortung, Selbst-Regulations-Fähigkeit, besondere Begabungen und Welt-Sichten, Initiativ- und Widerstands-Kraft und Selbst-Wirksamkeit) 

·       als auch in ihrer Abstimmungs-Kompetenz (z. B. als Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen und einzuschwingen, als Bewusstsein von wechselseitiger Angewiesenheit und von Kontext-Einflüssen, als Verständnis der gemeinschaftlichen Prozesse und der Auswirkungen von Rahmen-Bedingungen auf die Gemeinschaft wie auf einzelne Personen sowie als wirksame dialogische Kommunikation und kooperative Entscheidungs-Findung). 

 

Die Wahrscheinlichkeit der Übersummativität in sozialen Systemen (Partnerschaften, Gruppen, Gemeinschaften) wächst im Prozess der Differenzierung, in dem jede Person immer mehr sie selbst einschließlich ihrer besonderen Begabungen wird, und zugleich der Integration, in dem jede Person lernt, sich auf das Abenteuer kreativer, auf wechselseitiger Unterstützung beruhender Gemeinsamkeit einzulassen. In ihrer Selbst- und Sozial-Verwirklichung können Personen zum schöpferischen Mitglied einer Gemeinschaft werden. Je mehr eine Gemeinschaft ermöglicht, dass jede Person die wird, die sie ist, desto mehr wird sie zur lernenden Gemeinschaft. 

 

Sowohl Rahmen-Bedingungen als auch Selbst- und Sozial-Verwirklichungs-Bedürfnisse sind nicht statisch, sondern als sich stetig wandelnd zu betrachten. Deshalb sind Lern- und Entwicklungs- Bereitschaft sowie Lern- und Entwicklungs-Fähigkeit zentrale Elemente von Gemeinschafts-Kompetenz.

 

Um wirksam Autonomie- und Kooperations-Kompetenz ihrer Mitglieder zu fördern, sollten sich Gemeinschaften eine Kultur des Miteinanders schaffen, in der Dauer-Regression und im Rückzug („Ich bin zu klein und zu dumm und kann es nicht. Die anderen werden es schon für mich richten.“) ebenso erschwert werden wie Dauer-Verantwortungs-Übernahme und starre Hierarchisierungen („Nur ich bin dazu in der Lage; die anderen können es nicht und werden es auch nicht lernen.“).

 

7. Gemeinschafts-Kompetenz in individueller und kooperativer Verantwortung entwickeln

Menschen kommen mit guten Voraussetzungen für Entwicklung von Gemeinschafts-Kompetenz zur Welt. Wir sind mit elaborierten körperlichen Voraussetzungen (z. B. Spiegel-Neuronen, Amygdala, Präfrontal-Hirn, Boten-Stoffe, Hormone) ausgestattet, um aus Mimik, Gestik, Handlungs-Bewegung, Wort-Klang und Worten unseres Gegenübers dessen Absichten zu erfassen. Kartografierung des Bewusstseins (mindmapping) der Personen, von denen wir abhängig sind oder mit denen wir zusammenleben wollen, ist eine in uns angelegte Überlebens- und Entwicklungs-Strategie. 
(David Schnarch, Vortrag in der Urania, Berlin 14.09.15)

Diese Fähigkeit kann sich sozial konstruktiv zum Mitgefühl oder destruktiv zur Manipulations-Fähigkeit hin entfalten, je nachdem, in welche Familien, Sozialmilieus, ökonomische und (sub-) kulturelle Strukturen wir hineingeboren werden, woher wir also unsere Anregungen und Identifikations-Modelle beziehen. Erhalten Menschen kaum konstruktive Resonanz, werden die Fähigkeiten verkümmern, selbsteinfühlend und mitfühlend Kontakte und Beziehungen zu gestalten.

 

Die Basis für Gemeinschafts-Kompetenz wird in den frühen Interaktion-Beziehungen zwischen Eltern (Bezugs-Personen) und Kindern gelegt. Beteiligt an der Entwicklung von Gemeinschafts-Kompetenz ist neben den Eltern die Gemeinschaft insgesamt, auch hier vermittelt über die Verantwortung jeder Einzelperson, an der Herstellung und Aufrechterhaltung der Kultur einer lernenden Gemeinschaft mitzuwirken. Günstige äußere Bedingungen ergeben sich aus einer Kultur vielfältiger Lern-Anregungen in den Arealen der Gemeinschaft, der Lehr-, Beratungs- und Unterstützungs-Bereitschaft aller Beteiligten, der Werte-Transparenz und des Anstrebens von Werte-Konsens, zumindest was die zentralen Werte einer Gemeinschaft betrifft.

 

Doch letztendlich verantwortlich für (Weiter-) Entwicklung von Gemeinschafts-Kompetenz ist jede selbstreflexionsfähige Person selbst. Lernen und Aufrechterhaltung der Lern-Motivation ist hauptsächlich die Sache Einzelner. 

Und die gute Botschaft im Hinblick auf Lernfähigkeit und neuronale Plastizität des Menschen:

Gemeinschafts-Kompetenz ist unter günstigen Bedingungen bis ins hohe Alter erlernbar. 

Download
Helmut von Bialy: Kompetenz für lernende Gemeinschaften
o Lernende Gemeinschaften
o Wege zur Förderung von Gemeinschafts-Kompetenz
o Bewusstsein und Handlungs-Kompetenz
für konstruktives Gemeinschafts-Leben
o Vision (Vorstellungen) und Mission (Aktivitäten) zur Gemeinschafts-Kompetenz
o Vier Dimensionen zur Entwicklung von Gemeinschafts-Kompetenz
o Lern-Felder für Gemeinschafts-Kompetenz
4-6_Kompetenz_für_lernende_Gemeinschafte
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3. Werkbücher "Kommunikations-Kompetenz" und "Gute Nachbarschaft"

Download
Helmut von Bialy: Kommunikationskompetenz - förderliche Bezogenheit zu sich und anderen
1. Beziehung, Kontakt und Kommunikation
2. Förderlich und hinderliche Kommunikation
3. Anzeichen für hinderliche Kommunikation
4. Wege zu förderlicher Kommunikation
Kommunikationskompetenz.pdf
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Helmut von Bialy: Kommunikatives Manifest - Kommunikationswissen und Kommunikationsstrategien zur Förderung gutnachbarschaftlichen Zusammenlebens in Wohnprojekten
o Vom Zusammenwohnen zum Zusammenleben
o Verständigung als gestaltende Kontaktnahme
o Kommunikationsstrategien für Zusammenleben
Kommunikatives Manifest.pdf
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Helmut von Bialy: Dialogbereitschaft zu zweit, in Gruppen und Gemeinschaften
o Dialog-Prozess
o Fragmentieren oder Kohärenz
o Weg zur Kohärenz: Eigenwahrnehmung des Denkens+
o Ziel: Partizipation
o Ignoranz und andere Dummheiten
o Dialog-Qualitäten
Dialog-Bereitschaft.pdf
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Helmut von Bialy: Gute Nachbarschaft - Vom Zusammenwohnen zur Gemeinschaftskultur des solidarischen Zusammenlebens in Stadtquartieren am Beispiel der Wohnungsgenossenschaft Möckernkiez
Kapitel 1: Vom Zusammenwohnen zum Zusammenleben
Kapitel 2: Entwicklungsbereitschaft in Gemeinschaften fördern
Kapitel 3: Solidarisch beteiligen und entscheiden
Kapitel 4: Solidarisch kommunizieren
Kapitel 5: Konstruktiv mit psychosozialen Konflikten umgehen
Kapitel 6: In Gruppen kooperieren und mitgestalten
GuteNachbarschaft_August1.pdf
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